Bei der vorliegenden Quelle handelt es sich um einen kurzen Ausschnitt aus einem Interview, das mit einer Betroffenen einer administrativen Versorgung geführt wurde. Die Quelle ermöglicht als Erfahrungsbericht Einblicke in das Anstaltsleben. Vergleichbare Erzählungen sind von zahlreichen Betroffenen bekannt.

Forschungsfragen

Die Perspektiven von Betroffenen einer administrativen Versorgung stellen einen wichtigen Teil der Forschung der UEK dar. Bisher wurden rund 50 Interviews mit Betroffenen geführt, in denen u.a. auch nach den Erfahrungen in Anstalten gefragt wurde. Diese Zeitzeuginnen- und Zeitzeugenberichte ermöglichen u.a. Erkenntnisse zum Alltag in den Institutionen, die so aus offiziellen Dokumenten nicht (zwingend) ersichtlich werden. Sie können beispielsweise Antworten auf folgende Fragen liefern: Welche Arbeiten mussten die Insassen und Insassinnen ausführen? Wie sah die Verpflegung aus? Welche Regeln mussten in der Anstalt befolgt werden und wie wurden diese sanktioniert? Was taten Angestellte oder das Aufsichtspersonal und wie verhielten sie sich den Insassen und Insassinnen gegenüber? u. a. m.

Neben diesen eher allgemeinen Fragen zum Anstaltsleben wird in der Analyse der Interviews zudem ein besonderer Fokus auf das individuelle Erleben und die individuelle Bewältigung der Situation einer administrativen Versorgung gelegt: Wie gingen Betroffene mit der Situation um? Wie erlebten und bewältigten sie zum Beispiel Freiheitsentzug, Strafmassnahmen oder Gewalt in den Institutionen? In Bezug auf die vorliegende Quelle wird etwa danach gefragt, wie die geschilderte Extremsituation (im Sinne einer enormen psychischen und physischen Belastung) bewältigt werden konnte. Wie gelingt es den Betroffenen, diesen schwierigen Moment zu überstehen? Was bedeuten die Formulierungen «jetzt ist fertig» oder «so geht das nicht mehr»; welcher Art ist der Wendepunkt, der damit angedeutet wird? Welche individuellen Ressourcen zur Bewältigung können hier mobilisiert werden? Welche (Überlebens-)Strategien werden entwickelt? usw.

Schliesslich interessiert sich die UEK auch für die gesamte Biographie der Betroffenen einer administrativen Versorgung und fragt u.a. auch nach den individuellen Langzeitfolgen von Erfahrungen, wie sie in der obigen Quelle zum Ausdruck kommen, auf das spätere Leben.

 

Zugang zur quelle

Die Analyse der Interviews erfolgt nach bekannten Methoden der qualitativen Sozialforschung (Grounded Theory, Objektive Hermeneutik). Die Interviews werden zunächst vollständig und exakt (wortwörtlich) transkribiert. Für ein methodisches Vorgehen in der Auswertung ist diese exakte Verschriftlichung unerlässlich. Würde man sich bei der Analyse der Interviews nur auf das Hören der Audioaufnahmen beschränken oder diese rein inhaltlich zusammenfassen, würden wichtige Informationen für die Auswertung verloren gehen.

Die Interviews werden zunächst einzeln ausgewertet. Im Vergleich mit anderen Interviews werden in einem weiteren Schritt Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Erzählungen der Betroffenen herausgearbeitet. So lassen sich zum Beispiel die unterschiedlichen Erfahrungen in den Anstalten oder unterschiedliche biographische Verläufe darstellen. Es ist vorgesehen, einerseits Einzelfalldarstellungen zu erstellen sowie andererseits Befunde auf einer allgemeineren Ebene (in Form einer «Typologie» oder «Kollektivbiographie») zu präsentieren.

 

Besonderheiten der Quelle

Die wortwörtliche Verschriftlichung von gesprochener Sprache, die zudem von Schweizerdeutsch in Schriftdeutsch übertragen wird, wirkt auf den ersten Blick möglicherweise irritierend und ist entsprechend gewöhnungsbedürftig. Nicht abschrecken lassen darf man sich von den zahlreichen Satzabbrüchen, Wiederholungen, eigentümlichen Formulierungen, grammatikalischen Fehlern usw. Diese sind typisch für die gesprochene Sprache und sagen insbesondere nichts über die sprachlichen Kompetenzen der interviewten Person aus. Die obige Quelle zeigt, wie viel aussagekräftiger die wortwörtliche Transkription gegenüber einer rein inhaltlichen Zusammenfassung des Gesagten ist. In den Satzabbrüchen, Wiederholungen und Pausen wird die emotionale Belastung für die interviewte Person erkennbar. Zudem ermöglicht erst die wortwörtliche Transkription einen wirklichen Einbezug der individuellen Perspektive der Betroffenen. Aus der Art und Weise, wie die Episode erzählt wird, wird ihre individuelle Bedeutung für die Betroffene – u. a. als biographischer Wendepunkt, der sich in der Formulierung «jetzt ist fertig» andeutet – erst ersichtlich.

 

A. Schwendener

 

Angaben zur Quelle

Ausschnitt aus Interview-Transkript UEK, H. Ge.-Gr. (S. 27-28).