Die UEK hat ihre Tätigkeiten 2019 abgeschlossen.
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Der Chinese

11. März - 17. März 2019
 
Der Ausstellungspavillon auf dem Casinoplatz in Bern
Im Lichtspiel
Einführung zum Film

Am Abend des 12. März 2019 fanden zahlreiche Interessierte den Weg in die Berner Kinemathek Lichtspiel, wo die UEK Administrative Versorgungen die Verfilmung des Glauser-Romans «Der Chinese» zeigte. Kommissionsmitglied und Historiker Thomas Huonker führte ins Thema ein und diskutierte im Anschluss an die Filmvorführung mit dem Publikum.

 

Friedrich Glauser und administrative Versorgungen

Friedrich Glausers Leben (1896-1938) war eng mit fürsorgerischen Zwangsmassnahmen verknüpft. In den Fokus der Behörden geriet er aus familiären Gründen. Glauser verbrachte eine unglückliche Jugend, die Mutter verstarb früh und mit seinem Vater verband ihn ein konfliktträchtiges Verhältnis. Als er 1918 in Zürich ein Chemiestudium aufnahm, sich aber mit eigenen Gedichten in dadaistischen Kreisen engagierte, lehnte sich sein Vater dagegen auf. Ausserdem missfiel dem Vater die Morphiumsucht des Sohnes. Er liess ihn bei der Zürcher Amtsvormundschaft bevormunden.

Der bevormundete Glauser kam in verschiedene psychiatrische Kliniken und in die Anstalten Witzwil im Kanton Bern. Psychiatrische Gutachten klassierten ihn als «Psychopathen». Da er immer wieder versuchte, an Opium zu kommen, verschrieb der Psychiater Max Müller Glauser den Stoff, um dessen Beschaffungskriminalität zu verhindern. Es folgte eine Reihe von Suizidversuchen und ein zweijähriger Abstecher in die Fremdenlegion.

Friedrich Glauser stand unter Eheverbot. Morphiumabhängige Personen durften gemäss damaligen Vorstellungen keine Kinder kriegen, denn man fürchtete, dass ihre Nachkommen ebenfalls süchtig würden. Die Beziehung zur Psychiatriepflegerin Berthe Bendel tolerierten die Behörden allerdings, weil von ihr keine Kinder mehr zu erwarten waren. Es ist unklar, ob dies aufgrund ihres Alters der Fall war oder ob sie sterilisiert worden war. Friedrich Glauser und Berthe Bendel wollten heiraten, Glauser hatte davor lediglich noch einen letzten Entzug in Basel zu absolvieren. In der Klinik wurde er mit der gefährlichen Insulinschocktherapie behandelt, die zu unverhofften Nachschocks führen konnte. Glauser stürzte in der Dusche und erlitt einen Schädelbruch, den die Klinik jedoch verheimlichte. Nach seiner Entlassung wollte er 1938 endlich heiraten. Am Tag seiner geplanten Hochzeit verstarb er an den Folgen der Kopfverletzung.

 

Der Roman «Der Chinese» und die Verfilmung von Kurt Gloor

Zu Beginn der 1930er Jahre absolvierte Friedrich Glauser in der Gartenbauschule Oeschberg bei Koppigen eine Ausbildung zum Gärtner. Nebenan befand sich eine Armenanstalt. Dieses Setting und seine Beobachtungen flocht Glauser in den 1937 entstandenen Roman «Der Chinese» ein, der 1938 zuerst in verschiedenen Schweizer Tageszeitungen und 1939 in Buchform erschien.

Diesen vierten Wachtmeister-Studer-Roman siedelte Glauser im fiktiven Pfründisberg an. Studer ermittelt im Mordfall des vermögenden Weltenbummlers James Farny in der örtlichen Armenanstalt und in der Gartenbauschule. Die Liste der Verdächtigen ist schier endlos und Studer übt subtil Systemkritik. Glauser legte seine Geschichte so an, dass sich die Vertreter behördlicher und institutioneller Macht um Kopf und Kragen reden. Die Kleinen und vermeintlich Hilflosen dagegen, über die immer nur verfügt wird sprechen so, dass man ihnen sofort glaubt.

1979 wurde der Roman in einer Koproduktion des Schweizer Fernsehens und der Bavaria Film verfilmt, Regie führte Kurt Gloor. Hans Heinz Moser spielte Wachtmeister Studer.

 

 

Medienecho zur Station Bern

Journal B (12.03.2019): Administrativjustiz: Es ist Zeit hinzuschauen

Radio Rabe-Info (11.03.2019): «Die Gesellschaft darf nicht wegschauen...»

Tele Bärn (11.03.2019): Aufarbeitung eines schweren Stücks Schweizer Geschichte

Kath Bern (12.03.2019): Ausgegrenzt, weggesperrt

 
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19. März - 24. März 2019
Baden

Während einer Woche stand die Ausstellung in Baden auf dem Unteren Bahnhofplatz.

Im Kulturhaus Royal fand am 20. März 2019 die Premiere des UEK-Dokumentarfilms «Expertengespräche. Administrative Versorgungen und Wege der Rehabilitierung» mit anschliessender Podiumsdiskussion statt.

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