Die UEK hat ihre Tätigkeiten 2019 abgeschlossen.
Diese Website wird nicht weiter aktualisiert.
 
 

Widersprüchlicher Rechtsstaat?

02. April - 07. April 2019
 
Der Ausstellungspavillon in der Marktgasse in St. Gallen
Präsentation und Diskussion im Palace St. Gallen
Präsentation und Diskussion im Palace St. Gallen

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Erfreuliche Universität» des Kulturlokals Palace organisierte die UEK am 2. April 2019 einen Vortrags- und Diskussionsabend zu den rechtlichen Grundlagen der administrativen Versorgungen. In kurzen Inputreferaten skizzierten Gisela Hauss und Lukas Gschwend (Mitglieder der UEK) die Versorgungspraxis in der Ostschweiz und erklärten die gesetzlichen Grundlagen. Die Veranstaltung und die anschliessende rege Diskussion mit dem Publikum moderierte der Journalist Hanspeter Spörri.

 

Fürsorgestruktur und «Versorgungskultur» in St. Gallen

Gisela Hauss eröffnete das erste Inputreferat mit der Feststellung, dass sich der Umgang gegenüber dem vergangenen Unrecht durch fürsorgerische Zwangsmassnahmen verändert habe. Vor einigen Jahren noch hauptsächlich in wissenschaftlichen Kreisen und in der Politik thematisiert, sei die Diskussion nun in der Mitte der Gesellschaft angelangt. Veranstaltungen wie etwa der Diskussionsabend im Palace stellen eine neue Art dar, an diese Geschichte zu erinnern.

Darauf gab Gisela Hauss einen kurzen Einblick in die historische Fürsorgestruktur der Stadt St. Gallen im 19. und 20. Jahrhundert, wobei sie auf das konkrete behördliche Handeln fokussierte und eine eigentliche «Versorgungskultur» in St. Gallen beschrieb. Sie hob hervor, dass die Behörden Hand in Hand mit bürgerlichen Frauenvereinen arbeiteten. Diese verstanden sich als Wohltäterinnen, wenn sie die Behörden auf «unsittliche» junge Frauen aufmerksam machten.

Zwischendurch unterbrach Hanspeter Spörri den Vortrag mit Fragen, die sowohl die ReferentInnen als auch das Publikum zum Nachdenken anregten: «Stellen wir uns vor, wir würden morgen in dieser Welt erwachen – wie eng muss man sich das vorstellen?», warf er etwa bei der Schilderung in den Raum, wie die Behörden in den Berichten mit ungenauen, aber abwertenden Begriffen wie «dirnenhaft» oder «triebhaft» Menschen stigmatisierten. «Sehr eng.», lautete die Antwort. Gisela Hauss zeigte auf, dass administrative Versorgungen einen minimal geregelten Bereich darstellten, bei dem jedoch gesicherte Handlungslogiken dominierten.

 

Juristische Aspekte der administrativen Versorgung

Hanspeter Spörris folgende Frage leitete zum Vortrag von Lukas Gschwend über: «Waren die Behörden wirklich im Glauben, mit diesen Versorgungen ‹gut› zu handeln?». Lukas Gschwend betonte, dass die Behörden nie durchgehend mit gutem Gewissen handeln konnten. Zu deutlich waren von Anfang an die Ambivalenzen im Versorgungssystem mit seinem Ziel, die Menschen zu «bessern».  

Bereits im 19. Jahrhundert äusserten Juristen Kritik an den kantonalen Versorgungsgesetzen, die in sämtlichen Kantonen bis auf Genf im Kraft waren. Die Gesetze operierten mit unbestimmten Rechtsbegriffen aus der Alltagssprache wie «arbeitsscheu» oder «liederlich». Die Auslegung dieser Termini blieb vage und deutungsoffen und stützte sich oftmals auf Aussagen von Personen, die mit der versorgten Person in einem Interessenskonflikt standen. Die kantonalen Versorgungsgesetze blieben sehr lange gültig – zum Teil rund 100 Jahre. Gründe dafür waren, dass sie einfach und unbürokratisch anzuwenden waren. Auch der Föderalismus trug dazu bei, dass die Kantone trotz fehlenden Standards so lange an ihren alten Gesetzen festhalten und trotz mangelhafter Funktionsweisen die Anstalten offenhalten konnten. Mit der Schaffung der Europäischen Menschenrechtskonvention 1950 mussten administrative Versorgungen mit Arbeitszwang und ohne Gerichtsverfahren bedenklich erscheinen. Bis in die 1960er Jahre fehlte dafür jedoch das Problembewusstsein. Erst 1981 revidierte und vereinheitlichte der Bund die Rechtsgrundlagen, auf die sich die Einweisungen stützten.

 

Medienecho zur Station St. Gallen

St. Galler Nachrichten (03.04.2019): «Ausgegrenzt und weggesperrt»

Saiten (04.04.2019): «Recht» wurde gebraucht, um Unrecht zu tun

Die Ostschweiz (03.04.2019): Gedenkanlass für Betroffene

 
< vorheriger Eintrag
26. März - 31. März 2019
Zürich

Während einer Woche stand die Ausstellung in Zürich auf dem Hechtplatz.

In Zürich, in Andelfingen und in Wädenswil fanden Veranstaltungen statt, die unterschiedliche Schwerpunkte setzten.

Mehr erfahren
< nächster Eintrag
09. April - 14. April 2019
Chur

Während einer Woche stand die Ausstellung in Chur auf dem Postplatz.

Im Kino Rätia in Thusis zeigte die UEK am 11. April 2019 den Spielfilm «Lina».

Mehr erfahren
^