Der Bericht der Berner Polizeidirektion für das Jahr 1945 enthält eine detaillierte Zusammenstellung über die getätigten administrativen Versorgungen («Administrativversetzungen») sowie weitere Angaben zum Straf- und Massnahmenvollzug.

In tabellarischer Form sind die definitiven und bedingten administrativen Versorgungen der vergangenen zehn Jahre ausgewiesen. Für das Berichtsjahr sind zudem die von der Regierung gefassten Einweisungsbeschlüsse etwa nach Geschlecht oder Einweisungsdauer dargestellt.

Im Rahmen ihrer Amtstätigkeit war die Polizeidirektion des Kantons Bern gesetzlich dazu verpflichtet, dem Grossen Rat (Kantonsrat) jährlich Rechenschaft abzulegen. Solche Verwaltungsberichte sind seit dem Aufbau moderner Verwaltungen im 19. Jahrhundert von allen schweizerischen Kantonen und vielen Gemeinden überliefert. Sie geben einen Einblick in die Tätigkeiten der verschiedenen Ämter und geben Auskunft über deren finanzielle Situation (teilweise separat veröffentlicht als Jahresrechnung, Staatsrechnung). Durch ihr jährliches Erscheinen stellen Verwaltungsberichte wichtige Quellen für die Erforschung amtlicher Handlungen und deren zeitlichen Entwicklung dar.

 

FORSCHUNGSFRAGEN

Mithilfe der Quelle können insbesondere quantitative Fragen zur Einweisungspraxis der Berner Kantonsbehörden beantwortet werden: Wie viele Personen wurden durch den Regierungsrat administrativ in Anstalten eingewiesen? Wie viele davon waren definitive, wie viele bedingte «Versorgungen»? Wie hat sich die Einweisungspraxis aus einer quantitativen Sicht über die Jahre verändert?

Neben diesen konkreten Fragen geben die Jahresberichte zudem einen vertieften Eindruck vom Zusammenspiel der verschiedenen Verwaltungseinheiten, die in den Entscheidungsprozess involviert waren. Damit sind Aussagen über die institutionellen Rahmenbedingungen der administrativen Versorgung möglich. So liefern beispielsweise Umfang und Detaillierungsgrad der gemachten Angaben zu den Einweisungen einen Eindruck vom Stellenwert der administrativen Anstaltseinweisung innerhalb der Verwaltung.

 

ZUGANG ZUR QUELLE

Zu Beginn der Forschungstätigkeit der UEK erfassten die Mitarbeiter des Forschungsfeldes A3 sämtliche quantitativ auswertbaren Angaben zur Administrativen Versorgung (beispielsweise Versorgungsentscheide des Regierungsrates) systematisch in Fünfjahresschritten. In einem zweiten Schritt werden diese Angaben nun bewertet und mit bestehenden Statistiken und Literatur in einen Zusammenhang gestellt. Auf Grundlage sämtlicher kantonaler Rechenschaftsberichte sowie weiterer Quellen soll im Laufe der Forschungstätigkeit so ein nationales «Mengengerüst» der administrativen Versorgung erstellt werden. Ein Ziel dieses Mengengerüstes ist die Beantwortung der Frage, wie viele Personen in der Schweiz zwischen 1930 und 1981 schätzungsweise von administrativen Anstaltseinweisungen betroffen waren.

 

M. Dal Molin/E. Guggisberg

 

ANGABEN ZUR QUELLE

Kanton Bern: Bericht über die Staatsverwaltung des Kantons Bern 1945, Bern Stämpfli & Cie. 1946.

Signatur: Schweizerische Nationalbibliothek (NB): OPq 253 Rechenschaftsberichte des Regierungsrats an den Grossen Rat des Kantons Bern.

 

Da die Verwaltungsberichte ab Entstehung für die Öffentlichkeit bestimmt waren, sind sie frei zugänglich; beispielsweise in der Schweizerischen Nationalbibliothek in Bern sowie in den jeweiligen Kantonsarchiven und -bibliotheken.