Dieser Artikel, der im Bulletin der «Unions des femmes de la Suisse romande» erschienen ist, reagierte auf die Verkündung einer Verordnung der waadtländischen Behörden, welche die «administrative Versorgung der die Gesellschaft gefährdenden Elemente» vorsah.

Die Behörden konnten diese Verordnung umsetzen, da ihnen im Zweiten Weltkrieg unbeschränkte Vollmachten erteilt worden waren.

 

Verfasserin

Die Autorin des Artikels, die Genferin Émilie Gourd (1879-1946), war eine Pionierin der feministischen Bewegung der Schweiz zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In diesem Artikel prangert sie die potentiellen antidemokratischen Konsequenzen an, die mit den willkürlichen Grundlagen eines solchen rechtlichen Instruments verbunden sind. Sie weist insbesondere darauf hin, dass die Verordnung an erster Stelle Frauen trifft: die Prostituierten. Gourd sieht die Prostitution, im Einklang mit dem «mouvement abolitionniste» (Bewegung für die Abschaffung der Prostitution), als System der Ausbeutung von Frauen durch Männer. Die Zwangsmassnahmen gegen die Prostituierten würden, so ihre Meinung, nur die Opfer belasten ohne sich die Hauptverantwortlichen dieses «erbärmlichen Geschäfts» vorzunehmen: die Kunden.

 

Forschungsfragen

Die Quelle ermöglicht zum Beispiel eine Annäherung an die öffentlichen Debatten, die im Kanton Waadt rund um das Thema der administrativen Versorgung im Zeitraum der Verordnung vom 24. Oktober 1939 geführt wurden. Politische und soziale Fragen, auf die sich diese Verordnung bezieht, können ebenfalls thematisiert werden. Die Gesetzgebung wirft zudem allgemeine Fragen zum Gender-Aspekt der administrativen Versorgungen auf.

 

Umgang mit der Quelle

Die Verordnung vom 24. Oktober 1939 führt im Kanton Waadt zu einer breiten Debatte über die administrativen Versorgungen und die rechtlichen Mittel im Kampf gegen die Prostitution. Innerhalb dieser Debatten stellt diese Quelle nur eine bestimmte Meinungsäusserung dar. Sie muss im Zusammenhang mit weiteren öffentlichen Diskursen (in Zeitungen, auf politscher Ebene, in Vereinen und Verbänden usw.) betrachtet werden: Zum einen im direkten Bezug zur Waadtländer Verordnung über die «administrative Versorgung der die Gesellschaft gefährdenden Elemente» und zum anderen in Verbindung mit der Prostitution im Allgemeinen. Ebenso ist es zentral, die Entstehung des Artikels im Kontext der uneingeschränkten Vollmachten und der Mobilmachung von 1939 zu betrachten, in dem bestimmte Kategorien von Individuen als «gefährlich» für die Gesellschaft eingestuft wurden.

 

C. Gumy/Übersetzung UEK

 

Angaben zur Quelle

Gourd, Émilie: Un arrêté dangereux, in: Le Bulletin féminin, 18 novembre 1939, ohne Paginierung.

Signatur: Archives cantonales vaudoises (ACV), S132/771.