Im Sommer 1921 bat der in Bellechasse internierte A. B. die Freiburger Regierung um seine bedingte Entlassung, nachdem er die Hälfte seiner Internierungszeit verbüsst hatte. Er argumentierte, dass er sich während seiner Internierungszeit immer um ein «tadelloses» Verhalten bemüht hätte.

Gesetzesgrundlage

Der Kanton Freiburg erliess 1919 das Gesetz über die Wirtshäuser: Wer als «ärgerniserregende Trinker und gefährliche Alkoholiker» kategorisiert wurde, konnte für ein bis drei Jahre in ein speziell für sie bestimmtes Arbeitshaus eingewiesen werden. Am 1. August 1920 wurde in Bellechasse das «Arbeitshaus für Trinker» mit dem Namen «Sapinière»/«Tannenhof» in Betrieb genommen. In dieses Haus war A. B. eingewiesen worden.

Das Gesetz sah vor, dass der Direktor der Anstalten von Bellechasse beim Staatsrat die bedingte Entlassung einer internierten Person verlangen kann, falls zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Es muss mindestens die Hälfte der Strafzeit abgebüsst sein und die interniete Person muss «Beweise der Besserung» abgelegt haben.

 

Verfahren

Der Prozess der bedingten Entlassung aus dem Tannenhof war im Gesetz über die Wirtshäuser von 1919 vorgeschrieben: Die internierte Person musste ein Gesuch an den Staatsrat des Kantons Freiburg stellen. Der Anstaltsdirektor fügte auf der Rückseite des Briefes seine Empfehlung hinzu, meist auf wenigen Zeilen und in knappen Worten gehalten. Aufgrund dieses Gutachtens entschied der Staatsrat, ob die internierte Person «Beweise der Besserung» erbracht hatte und bedingt entlassen werden konnte, oder ob sie die volle Internierungszeit verbüssen musste. Im Falle einer vorzeitigen und bedingten Entlassung stand die Person bis zum Ende der verfügten Internierungszeit unter Aufsicht der Gemeindebehörden. Falls sie sich in der bedingten Freiheit nicht wie gefordert verhielt, konnte sie zurück in den Tannenhof gebracht werden, wo sie den Rest der Internierungszeit verbüssen musste.

 

Umgang mit der Quelle

Die hier vorgestellte Quelle zeigt auf, wie die internierte Person argumentiert hat, um ihre bedingte Entlassung zu beantragen. Zusammen mit den anderen Aktenstücken in A. B.s Dossier zeigt sie, wie der Gesetzesartikel zur bedingten Entlassung in der Praxis angewendet wurde. Offen bleibt, wie der Direktor der Anstalten von Bellechasse und der Freiburger Staatsrat die geforderten «Beweise der Besserung» massen. In seinem Gesuch beschreibt A. B., dass er sich stets um ein «tadelloses Verhalten» bemüht hatte, ohne konkrete Beispiele zu nennen. Der Direktor äusserte sich in seinem Gutachten als sehr zufrieden mit dem Verhalten und der Arbeitsleistung von A. B. Aber auch hier fehlen Hinweise darauf, welche konkreten Verhaltensweisen und Leistungen der Direktor meinte. In diesem Fall entschied der Staatsrat schliesslich, A. B. nach der Hälfte der Strafzeit bedingt zu entlassen.

Dieses Entlassungsgesuch ist ein Musterbeispiel. Um Kenntnisse über die Entlassungspraxis aus dem Tannenhof aus dieser Zeit zu gewinnen, müssen weitere Entlassungsgesuche analysiert und verglichen werden. Hinzu kommt die Analyse der Gesetzestexte, welche die rechtliche Grundlage für die bedingte Entlassung boten.

 

M. Häsler Kristmann

 

Angaben zur Quelle

Entlassungsgesuch aus dem «Arbeitshaus für Trinker» Tannenhof in den Anstalten von Bellechasse an den Staatsrat des Kantons Freiburg, datiert auf den 17. August 1921.

Signatur: Staatsarchiv des Kantons Freiburg (StAF/AEF): AEF DPd 2001.